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Keine Störung des Kindeswohls durch Testamentsvollstreckung – Die familiengerichtliche Versagung der Erbausschlagung

16. Mai 2025

Im Spannungsfeld zwischen elterlicher Sorge, testamentarischem Willen und gerichtlichem Schutzauftrag stellt sich im Erbrecht häufig die Frage, wie weit eine Testamentsvollstreckung zum Schutz minderjähriger Erben gehen darf – und ob sie dem Kindeswohl entgegensteht. Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 11. Dezember 2024 verdeutlicht, dass die Anordnung einer Testamentsvollstreckung bis ins Erwachsenenalter hinein nicht per se eine Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellt. Vielmehr kann sie dem Wohl des Kindes dienen – selbst bei familiären Spannungen.

Im entschiedenen Fall hatte der verstorbene Vater seinen minderjährigen Sohn in einem notariellen Testament zu 38 % als Erben eingesetzt und eine umfassende Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres angeordnet. Die Testamentsvollstrecker – seine Ehefrau und ein alter Freund – sollten nur gemeinsam tätig werden dürfen. Die Erträge des Nachlasses sollten grundsätzlich wieder angelegt werden, es sei denn, sie dienten unmittelbar der Ausbildung oder der Lebensqualität des Kindes. Eine Auszahlung aus der Substanz des Nachlasses war testamentarisch ausgeschlossen.

Die Mutter des Kindes beantragte familiengerichtlich die Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft, um stattdessen Pflichtteilsansprüche für ihren Sohn geltend zu machen. Sie begründete dies mit wirtschaftlichen Bedenken sowie der Befürchtung einer psychischen Belastung des Kindes durch die Testamentsvollstreckerin – die neue Ehefrau des Erblassers. Die familiäre Beziehung sei zerrüttet; die Testamentsvollstreckung verletze daher das Kindeswohl. Das Amtsgericht versagte die Genehmigung, was in der Beschwerdeinstanz bestätigt wurde.

Das Gericht stellt klar: Maßgeblich für die familiengerichtliche Genehmigung nach §§ 1643, 1851 BGB ist allein das Kindeswohl – nicht die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Ausschlagung aus Sicht eines Erwachsenen. Besteht kein Anhaltspunkt für eine Überschuldung des Nachlasses, liegt eine Erbausschlagung grundsätzlich nicht im Kindeswohlinteresse. Auch die langfristige Bindung an Testamentsvollstrecker verletzt das Kindeswohl nicht, solange diese treuhänderisch handeln und nicht objektiv gegen die Interessen des Kindes verstoßen. Der Schutz vor Überforderung durch eine frühzeitige Verfügung über ein erhebliches Vermögen ist vielmehr legitimer Zweck einer verlängerten Testamentsvollstreckung.

Die persönliche Eignung der eingesetzten Testamentsvollstrecker wurde vom Gericht nicht beanstandet. Insbesondere fehlten objektive Anhaltspunkte für eine kindeswohlgefährdende Einflussnahme oder eine sachwidrige Amtsausübung. Die Bedenken der Mutter stützten sich auf subjektive Einschätzungen und familiäre Konflikte, nicht jedoch auf konkrete Verstöße oder Missbrauchsgefahren. Das Kind selbst zeigte in der gerichtlichen Anhörung keine tiefgreifende Belastung und äußerte Kooperationsbereitschaft gegenüber den Testamentsvollstreckern. Die Annahme einer fundamentalen Störung des Verhältnisses wurde daher zurückgewiesen.

Zudem wies das Gericht darauf hin, dass es sich bei der Testamentsvollstreckung um ein zweiköpfiges Gremium handelt, in dem auch ein neutraler Dritter fungiert, der nicht in die familiären Spannungen involviert ist. Die Kontrollrechte der gesetzlichen Vertreterin bleiben im Übrigen erhalten (§§ 2215 ff. BGB), sodass der Mutter weiterhin Möglichkeiten zur Überwachung und ggf. zur gerichtlichen Inanspruchnahme der Testamentsvollstrecker offenstehen.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass der testamentarische Wille zur Absicherung des Kindesvermögens ernst zu nehmen ist und sich nicht ohne Weiteres durch elterliche Bedenken oder persönliche Antipathien entkräften lässt. Die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung soll kein Instrument zur Durchsetzung wirtschaftlicher Präferenzen oder zur Umgehung missliebiger Verwaltungsregelungen sein. Vielmehr ist sie ausschließlich am objektiven Wohl des Kindes auszurichten – und diesem kann gerade eine langfristige, kontrollierte Vermögensverwaltung durch sachkundige Testamentsvollstrecker dienlich sein.

Zu dem Thema sowie zu allen anderen steuerlichen und erbrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Nummer 040/ 528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.

 

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