Die verborgenen Lasten des Erbes: Was Sie als Erbe über die Steuerschulden des Erblassers wissen müssen
Die Freude über eine Erbschaft kann schnell getrübt werden, wenn neben dem Vermögen auch unbekannte Pflichten auftauchen. Zu den wichtigsten, aber oft übersehenen Verpflichtungen gehören die Steuerschulden des Verstorbenen. Als Erbe treten Sie nicht nur in dessen Vermögensposition ein, sondern übernehmen auch alle rechtlichen Verpflichtungen. Dieses Prinzip der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge ist in § 45 der Abgabenordnung (AO) fest verankert und hat weitreichende Konsequenzen.
Gesamtrechtsnachfolge: Ihre Pflichten als Erbe
Gemäß § 45 AO gehen die steuerlichen Rechte und Pflichten des Erblassers, wie etwa die Begleichung von Steuerschulden und, sofern eine Pflicht zur Abgabe besteht (§ 149 AO), die Einreichung von Steuererklärungen, vollständig auf den oder die Erben über. Die persönliche Einkommensteuerpflicht des Erblassers endet mit dem Tod. Für das Todesjahr ist eine Abschlussveranlagung bis zum Todestag abzugeben.
Ein besonders kritischer Punkt ist die Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Wenn Sie als Erbe positiv erkennen, dass frühere Steuererklärungen des Erblassers unrichtig oder unvollständig waren, sind Sie verpflichtet, dies dem Finanzamt unverzüglich mitzuteilen. Wenn Sie dieser Pflicht nicht nachkommen und die Fehler wissentlich verschweigen, begehen Sie eine eigene, strafbare Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 21.06.2022 (VIII R 26/19) klargestellt, dass die unterlassene Berichtigung durch den Erben nicht zu einer erneuten Verlängerung der bereits wegen Hinterziehung auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfrist führt.
Die Selbstanzeige als Rettungsanker
Um sich vor den strafrechtlichen Konsequenzen zu schützen, gibt es die Möglichkeit der Selbstanzeige nach § 371 AO. Auch Erben können eine solche Anzeige für ihre ggf. durch Unterlassen begangene Steuerhinterziehung einreichen. Eine Selbstanzeige ist nur wirksam, wenn sämtliche unrichtigen oder unvollständigen Angaben vollständig, pro Steuerart und Zeitraum offenlegt werden, keine Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO vorliegen (z. B. bereits bekannt gegebene Einleitung eines Steuerstrafverfahrens), und die Steuerschulden innerhalb der von der Finanzbehörde gesetzten Zahlungsfrist fristgerecht entrichtet werden.
Die Verjährung ist zweigleisig zu betrachten: Die strafrechtliche Verfolgungsverjährung beträgt regelmäßig fünf Jahre und in besonders schweren Fällen 15 Jahre (§ 376 AO). Davon unabhängig läuft die steuerliche Festsetzungsverjährung bei hinterzogenen Steuern zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Für eine strafbefreiende Selbstanzeige ist bei Hinterziehungssummen über 25.000 Euro ein Zuschlag nach § 398a AO zu zahlen (10 % bis 100.000 €, 15 % bis 1 Mio. €, 20 % über 1 Mio. €).
Grundsätzlich haften Erben für Nachlassverbindlichkeiten, also auch die Steuerschulden, mit ihrem gesamten Privatvermögen (§ 1967 BGB). Diese Haftung kann jedoch aktiv auf den Nachlass beschränkt werden, z. B. durch die Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB), die Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB) oder die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB).
Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie als Erbe die steuerlichen Unterlagen des Verstorbenen umgehend sichten und prüfen. Bei Verdachtsmomenten, insbesondere im Hinblick auf nicht deklarierte Auslandskonten oder Depots, ist es ratsam, sich sofort anwaltlich oder steuerrechtlich beraten zu lassen. Die frühzeitige und professionelle Auseinandersetzung mit den steuerlichen Pflichten des Erblassers ist der beste Weg, um verborgene Risiken zu minimieren und eine drohende eigene Strafbarkeit zu verhindern.
Zu dem Thema sowie zu allen anderen steuerlichen und erbrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Nummer 040/ 528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.
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