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Widerruf durch Zerreißen eines von mehreren Originaltestamenten

29. Juli 2020

Bei der Erstellung eines Testaments stellt sich für viele Erblasser die Frage, ob man seinen so zu Papier gebrachten Erblasserwillen auch wieder zurücknehmen kann. In den §§ 2253 – 2258 BGB ist dafür die Möglichkeit des Widerrufs geregelt.

Grundsätzlich ist vorgesehen, dass ein Erblasser sein Testament jederzeit widerrufen kann, § 2253 BGB. Den Regelfall stellt dafür der Widerruf durch die Errichtung eines neuen Testaments dar (vgl. § 2254 BGB). Oft werden daher entsprechende Klauseln in letztwillige Verfügungen eingefügt, wonach vorsorglich sämtliche zuvor errichtete Testamente durch das aktuelle Testament widerrufen werden.

Abweichend vom Regelfall haben die Erblasser gem. § 2255 S.1 BGB auch die Möglichkeit, ein Testament durch Vernichtung (oder Veränderung) zu widerrufen. Vernichtung meint dabei Zerstörung dergestalt, dass die Urkunde in ihrem Bestand nicht mehr vorhanden ist. Zur Vernichtung muss der Erblasser darüber hinaus mit einer deutlichen Widerrufsabsicht handeln. Vernichtet der Erblasser die Testamentsurkunde, wird diese – widerlegbar – vermutet, § 2255 S. 2. Wenn ein späteres Testament widerrufen wird, gilt im Zweifel das vorherige als wieder wirksam, § 2258 II BGB.

Ob die Widerrufsabsicht allerdings so leicht angenommen werden kann, wenn nicht nur ein Originaltestament, sondern mehrere existieren, ist eine anspruchsvolle Frage. Die Antwort hierzu lieferte aber das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss v. 22.04.2020 zum Az. 2 Wx 84/20. Es hatte über eine Beschwerde einer Haushaltshilfe der Erblasserin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königswinter zu entscheiden, dem Urenkel der Erblasserin einen Erbschein auszustellen, der ihn als Alleinerben auswies. Grundlage dafür war ein entsprechender Erbvertrag der Erblasserin. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die Erblasserin habe später ein Testament erstellt, womit sie den Erbvertrag widerrufen und nunmehr die Beschwerdeführerin als Alleinerbin eingetragen habe. Nach umfassender Beweiswürdigung war das OLG Köln davon überzeugt, die Erblasserin habe durch Zerreißen des Testaments vor einem Zeugen und der Aussage, dass sie an der Erbeinsetzung ihrer Haushaltshilfe nicht mehr festhalten will, dieses gem. § 2255 S. 1 BGB widerrufen.

Die Besonderheit dieses Falles war die Unklarheit darüber, wie viele Originaltestamente der Erblasserin im Umlauf waren. Es bestand Grund zur Annahme, dass mindestens zwei Testamente existierten, welche die Haushaltshilfe als Alleinerbin auswiesen. Das Gericht erklärte in diesem Zusammenhang, dass die Vermutungswirkung über die Widerrufsabsicht aus § 2255 S. 2 BGB bei mehreren existierenden Originalurkunden nicht eintreten kann. Vielmehr könne ein Widerruf nach § 2255 S.1 bei Testamentsmehrheit nur angenommen werden, wenn mindestens ein Testament vernichtet und keine Zweifel an der Aufhebungsabsicht bestehen, wovon der erkennende Senat in diesem Fall aufgrund von Zeugenaussagen ausging. Im Ergebnis war das OLG Köln davon überzeugt, dass die Erblasserin das Testament, in welchem die Beschwerdeführerin als Alleinerbin eingesetzt war, widerrufen hat.

In dieser sehr lehrreichen Entscheidung kommt das OLG Köln zu einem nachvollziehbaren Ergebnis und durchleuchtet eingehend die Widerrufsmöglichkeiten des Testaments nach § 2255 BGB. In den §§ 2254, 2256, 2257 BGB sind allerdings noch weitere Widerrufsmöglichkeiten geregelt, denen sich der erkennende Senat in Ermangelung eines entsprechenden Anlasses nicht widmet.

Zu dem Thema Widerruf eines Testaments sowie allen anderen erbrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Nummer 040/528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.