Die Kunst der Erbausschlagung
Wird man Erbe, hat man zunächst zwei Möglichkeiten: Man kann nach der Benachrichtigung, dass man zum Erben berufen ist, das Erbe entweder annehmen oder es binnen sechs Wochen ausschlagen. Die Ausschlagung ist gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären. Schlägt man das Erbe innerhalb der Frist nicht aus, gilt dieses als angenommen.
Was jedoch ist zu tun, wenn nach Ablauf der Ausschlagungsfrist neue Informationen zutage treten, die den Erben im Nachhinein zum Ausschlagen bewegt hätten? Oft stellt sich nämlich erst im Nachhinein heraus, dass der Nachlass heillos überschuldet ist. Dies wird dem Erben allerdings erst bewusst, wenn die ersten Mahnungen ins Haus flattern. Das Gesetz bietet den Erben für Fälle der irrtümlichen Annahme (oder der irrtümlichen Ausschlagung) die Möglichkeit der Anfechtung. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Irrtums und die Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Im Fall des überschuldeten Nachlasses ist üblicherweise ein beachtlicher Motivirrtum hinsichtlich des Wertes des Nachlasses anzunehmen. Nach erfolgreicher Anfechtung gilt das Erbe als nicht angenommen. „Neuer“ Erbe wird derjenige, der zum Erben berufen worden wäre, wenn der Ausschlagende zum Zeitpunkt des Erbfalles bereits verstorben wäre. Wer das konkret ist, kann von Fall zu Fall variieren und hängt auch davon ab, ob die Erbfolge testamentarisch festgelegt worden ist oder nicht.
Eine Anfechtung der Annahme ist allerdings nicht immer möglich. In solchen Fällen gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. Grundsätzlich haftet der Erbe für Nachlassschulden auch mit seinem Privatvermögen! Aber auch dies kann der Erbe verhindern, indem er die Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt. Beide Instrumentarien sorgen dafür, dass eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass eintritt; der Erbe kann von etwaigen Nachlassgläubigern also nicht mehr in Anspruch genommen werden. Wird das beantragte Verfahren mangels Werthaltigkeit des Nachlasses abgelehnt, kann sich der Erbe gegenüber den Gläubigern auf die Wertlosigkeit des Nachlasses berufen („Dürftigkeitseinrede“).
Im Übrigen kann sich auch in steuerlicher Hinsicht eine Ausschlagung anbieten. Das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) sieht für jeden Erbfall einen gewissen Steuerfreibetrag vor, der sich nach der Steuerklasse richtet und von EUR 20.000 bis EUR 500.000 variieren kann. Der Wert des Erbes, der über den Freibetrag hinausgeht, wird besteuert. Behält man im Blick, wo das Erbe nach erfolgreicher Ausschlagung durch den eigentlichen Erben hinfällt, kann man ggf. die Freibeträge maximieren. Eine testamentarisch zur Alleinerbin berufene Ehefrau (Freibetrag: EUR 500.000) mit zwei Kindern (Freibetrag: jew. EUR 400.000) kann beispielsweise die testamentarische Erbenstellung ablehnen und stattdessen die gesetzliche Erbenstellung neben ihren Kindern annehmen. So unterliegt der Nachlass nicht nur dem Freibetrag der Mutter, sondern zuzüglich der beiden Freibeträge der Kinder einem Freibetrag von insgesamt EUR 1.300.000. Es zeigt sich also, dass durch eine gezielte Ausschlagung immense Steuerersparungen erzielt werden können.
Wann welches Vorgehen zu empfehlen ist, hängt immer vom Einzelfall ab. Nicht selten empfiehlt es sich, direkt nach Kenntnis der Erbschaft einen Fachanwalt für Erbrecht – bestenfalls mit Kenntnissen über das Erbschaftsteuerrecht – aufzusuchen, um das bestmögliche Vorgehen zu erarbeiten.
Zum Thema Erbschaftsausschlagung sowie zu allen anderen erbrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Nummer 040/ 528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de