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Pflichtteilsanspruch für Enkel nach Enterbung des Sohns

23. Februar 2018

Am 26.10.2017 hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Hagen vom 08.02.2017 bestätigt. Entschieden wurde, dass bei der Enterbung eines Sohnes von seinem Großvater dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen kann.

Der im Alter von 72 Jahren verstorbene Erblasser aus Hagen hinterließ im Oktober 2011 einen Nachlass und eine Lebensversicherung im – gerichtlich festgestellten – Wert von insgesamt etwa 1.854.000 Euro.
Als Erben bestimmte er in einem 1989 errichteten Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen heute 79 Jahre alten Bruder, den Beklagten aus Münster.

Seine beiden Söhne ließ er enterben aufgrund ihrer Rauschgiftsucht. Weiterhin führte er als Grund die von den Söhnen begangenen Straftaten an, besonders die vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körperverletzung. Im Jahre 1990 verstarb sein älterer Sohn kinderlos im Alter von 28 Jahren. Der heute 53-jährige zweite Sohn des Erblassers ist der Vater des 21 Jahre alten Klägers aus Hagen.

Nachdem der Erblasser starb, teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Der Kläger trug im Jahre 2014 vor, der Enkel des Erblassers zu sein. Demnach stünde ihm als allein Verbliebener die Hälfte des Nachlasses zu. Er machte gesetzliche Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend.

Die Erben bestritten u.a. die Vaterschaft des enterbten Sohns, da die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde ein unzureichender Nachweis sei. Zudem machten sie geltend, dass sie den Nachlass bereits verbraucht bzw. weitergegeben hätten.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Lebensgefährtin des Erblassers und der Beklagte wurden dazu verurteilt, dem Kläger seinen rechtmäßigen Pflichtteil nebst Pflichtteilsergänzung in Höhe von insgesamt ca. 927.000 Euro zu zahlen. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat das Urteil nicht angefochten. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Das erstinstanzliche Urteil wurde vom 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm bestätigt.

Der Kläger habe durch die Vorlage der Geburtsurkunde nachgewiesen, das Kind des jüngeren Sohnes des Erblassers zu sein und damit bestätigt, dass er dessen Enkel sei. Somit sei er pflichtteilsberechtigt auf Grundlage der rechtlichen Abstammung von seinem Vater nach dem gesetzlichen Erbrecht. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, eine Unrichtigkeit der Geburtsurkunde nachzuweisen. Aufgrund der rechtlich feststehenden Vaterschaft, sei die biologische Abstammung des Klägers unerheblich.

Aus der testamentarisch verfügten wirksamen Enterbung ginge hervor, dass eine dem Kläger vorgehende Pflichtteilsberechtigung seines Vaters nicht gegeben sei. Diesem habe der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Durch das Testament des Erblassers wurde der Kläger von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Er sei aber als Abkömmling des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Der Kläger habe sein Pflichtteilsrecht nicht verloren. Im Hinblick auf die Person des Klägers sei weiterhin kein Grund für die Entziehung des Pflichtteils ersichtlich, da diese auch testamentarisch verfügt worden ist.
Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Nachlass gänzlich oder zum Teil ausgegeben wurde. Nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft habe er den Pflichtteilsanspruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.
Der Beklagte sei – neben der Lebensgefährtin des Erblassers – dem Kläger den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch schuldig. Auf dieser Grundlage sei er zur Zahlung in Höhe des gesamten Anspruchs zu verurteilen.