Keine Steuerhinterziehung bei elektronisch übermittelten Besteuerungsmerkmalen?
Im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung erhält die Finanzverwaltung immer weitreichendere steuerliche Informationen über die Steuerpflichtigen von Dritten (Arbeitgebern, Rentenversicherungen, Krankenkassen, Arbeitsagenturen, Banken, Elterngeldstellen, etc.).
Wer die Finanzbehörden gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (kurz: „AO“) pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt, erfüllt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung. Im Regelfall erfüllt man diesen Tatbestand durch Nichtabgabe von Steuererklärungen.
Nach dem OLG Köln (31.1.2017 – III-1 Rvs 253/16) setzt nun jedoch auch das OLG Oldenburg (10.7.2018 – 1 Ss 51/18) für eine vollendete Steuerhinterziehung wegen Nichtabgabe einer Steuererklärung voraus, dass das Finanzamt über die in der Steuererklärung an sich zu machenden Angaben keine anderweitige Kenntnis hat.
Im Urteilsfall bezog der Steuerpflichtige ausschließlich Arbeitslohn, der mit der Lohnsteuerklasse III einbehalten wurde, dieser jedoch von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte und diese Informationen auch an das Finanzamt weitergab. Er gab allerdings trotz gesetzlicher Verpflichtung keine Steuererklärung ab. Um eine versuchte strafbare Steuerhinterziehung auszuschließen, musste der Steuerpflichtige zudem glaubhaft versichern und nachweisen, dass die Finanzbehörde aus seiner Sicht über alle notwendigen Daten für die richtige Steuerfestsetzung habe.
Ob die Rechtsprechung auch auf andere Fälle von Datenmitteilungen an das Finanzamt (z. B. Mitteilungen über Beteiligungserträge, Kontrollmitteilungen) übertragen werden kann, bleibt offen. Nichtsdestotrotz ist allen Steuerpflichtigen zu raten, die Abgabefristen für Steuererklärungen einzuhalten.
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